Schöne Wendung im Garten
Eine rechtliche Meinungsverschiedenheit, die sich aus einem Fehler bei einer Eintragung ins Grundbuch vor fast 30 Jahren ergab, scheint nun endlich beigelegt. Eine ältere Dame war fälschlicherweise noch zu 1/3 als Miteigentümerin eines von mir erworbenen Gartengrundstücks eingetragen und weigerte sich trotz offensichtlicher Sachlage, die erforderliche Unterschrift zu leisten, damit das Miteigentum endgültig beendet und der letzte Wille des Verblichenen endlich respektiert würde. Das Ganze zog sich jetzt schon über ein Jahr hin, ohne dass sich wirkliche Fortschritte zeigten.
Alle in Frage kommenden Personen wurden von mir ermutigt, gebeten oder angestachelt, doch mal ein Wörtchen mit ihr zu reden, damit sie zur Vernunft käme. Alles für die Katz! Die Alte blieb stur.
Auch der Anwalt, den ich inzwischen beauftragt hatte, machte mir keine großen Hoffnungen. Ein auszufechtender Rechstsstreit könnte Jahre dauern und nicht unwahrscheinlich in einem Vergleich enden, durch den ich zumindest nur einen Teil meines Anspruchs durchsetzen, aber auf jeden Fall einen Teil der Kosten tragen müssen würde. Also tat der befreundete Anwalt, was ich selbst schon vorher durchgemacht hatte: Stundenlange Telefonate mit der auf die 80 zugehenden, die darin sicherlich vom hundersten ins tausendste alle Ideen und Gedanken ausbreitete, die sie sich in Ihrer großzügigen Freizeit so machen konnte. Diese Gedanken führte sie nicht zielstrebig vom Anfang zum Schluss aus, sondern verwob und versponn sie in einem schier undurchsichtigen Netz ineinander, so dass sie sich selbst vielfach darin verlor. Wie beim Hüpfen von einer im kalten Polarmeer treibenden Eisscholle zur anderen schlug sie die Brücke zum nächsten Handlungsknäuel mit einem "ach, jetzt hab ich schon wieder den Faden verloren". Gab man ihr das Stichwort, um den Faden wieder aufzunehmen, fuhr sie nicht etwa fort, sondern lies sich frei in eine andere Facette des Themas abtreiben und begann an jener Stelle von vorn.
Stunden um Stunden vergingen, und war der Hörer endlich auf der Gabel (altertümliche Metapher für das Beenden eines fernmündlichen Gesprächs), konnte man mit Sicherheit damit rechnen, dass innerhalb der nächsten Stunde noch zwei bis drei Follow-Ups folgten. Immer dann, wenn sich das vorangegangene Gespräch im Kopf von Frau H. einmal wie eine Roulettscheibe im Kreis gedreht hatte und die Kugel wieder in einem der kleinen Nummernfächer der Gedankenstränge zur Ruhe gekommen war, damit sie sie erneut ins Becken schnippen konnte.
Anstrengender als Simultanübersetzen, ermüdender als alle "o"s einer Seite einer italienischen Tageszeitung mit einem Bleistift der Härte 1 auszumalen, langwieriger als die 24 Stunden von Le Mans und immer ohne Ergebnis.
Was nun den Durchbruch brachte, läßt sich schwer sagen. War es der beginnende Frühling, der ihr eine freundlichere Einstellung gegenüber ihrer Umwelt bescherte? War es die Erkenntnis, dass sie ohne den Ärger und das ständige Nachfragen meinerseits Ihre Tage glücklicher und entspannter verbringen konnte? War es wirklich nur die als Bedingung für ihr Wohlwollen von mir zu überweisende "Kostenbeteiligung" in Höhe von zuerst 250, später nochmal gierig erhöht auf 500 EUR, die ihr die Genugtuung gab, aus der weder von ihr noch von mir verursachten rechtlich nicht ganz eindeutigen Situation noch etwas Kapital geschlagen zu haben, ohne auch nur den kleinsten moralischen Anspruch darauf zu haben? War es der Respekt vor der Institution Anwalt, durch den sie Recht und Unrecht vielleicht doch in einem etwas anderen Licht sah?
Ganz sicher war es unter anderem die geübte und sichere Verhandlungstechnik des Juristen, die nicht nur bei den professionellen und selbst wortgewandten Kontrahenten greift, mit denen er für gewöhnlich zu tun hat, sondern geduldig und zielstrebig die Standpunkte und Scheinargumente der eigenbrödlerischen Seniorin zerpflückte, bis sie sich auf die gesichtswahrende Einigung mit der Kostenbeteiligung einlassen musste.
Mir sollte es egal sein, ab sofort kann ich grillen ohne das Gefühl zu haben, dass jedes dritte Würstchen auf einem fremden Rost gebräunt wird.
Dieses Gefühl überwiegt auch das Wurmen, das im Hintergrund grummelt: Ein feines Lehrgeld hab ich dafür bezahlt, dass ich einen Grundstückserwerb verwechselt hab mit dem Spontankauf einer Packung Kaugummi auf dem Weg zur Supermarktkasse. Das nächste Mal lass ich ohne Eile die Grundbuchauszüge kommen, lange bevor ich einen Notartermin vereinbare, geschweige denn den Vertrag unterschreibe. Das nächste Mal? Ja, ich hätt noch gerne ein kleines Stückchen Wald!
Alle in Frage kommenden Personen wurden von mir ermutigt, gebeten oder angestachelt, doch mal ein Wörtchen mit ihr zu reden, damit sie zur Vernunft käme. Alles für die Katz! Die Alte blieb stur.
Auch der Anwalt, den ich inzwischen beauftragt hatte, machte mir keine großen Hoffnungen. Ein auszufechtender Rechstsstreit könnte Jahre dauern und nicht unwahrscheinlich in einem Vergleich enden, durch den ich zumindest nur einen Teil meines Anspruchs durchsetzen, aber auf jeden Fall einen Teil der Kosten tragen müssen würde. Also tat der befreundete Anwalt, was ich selbst schon vorher durchgemacht hatte: Stundenlange Telefonate mit der auf die 80 zugehenden, die darin sicherlich vom hundersten ins tausendste alle Ideen und Gedanken ausbreitete, die sie sich in Ihrer großzügigen Freizeit so machen konnte. Diese Gedanken führte sie nicht zielstrebig vom Anfang zum Schluss aus, sondern verwob und versponn sie in einem schier undurchsichtigen Netz ineinander, so dass sie sich selbst vielfach darin verlor. Wie beim Hüpfen von einer im kalten Polarmeer treibenden Eisscholle zur anderen schlug sie die Brücke zum nächsten Handlungsknäuel mit einem "ach, jetzt hab ich schon wieder den Faden verloren". Gab man ihr das Stichwort, um den Faden wieder aufzunehmen, fuhr sie nicht etwa fort, sondern lies sich frei in eine andere Facette des Themas abtreiben und begann an jener Stelle von vorn.
Stunden um Stunden vergingen, und war der Hörer endlich auf der Gabel (altertümliche Metapher für das Beenden eines fernmündlichen Gesprächs), konnte man mit Sicherheit damit rechnen, dass innerhalb der nächsten Stunde noch zwei bis drei Follow-Ups folgten. Immer dann, wenn sich das vorangegangene Gespräch im Kopf von Frau H. einmal wie eine Roulettscheibe im Kreis gedreht hatte und die Kugel wieder in einem der kleinen Nummernfächer der Gedankenstränge zur Ruhe gekommen war, damit sie sie erneut ins Becken schnippen konnte.
Anstrengender als Simultanübersetzen, ermüdender als alle "o"s einer Seite einer italienischen Tageszeitung mit einem Bleistift der Härte 1 auszumalen, langwieriger als die 24 Stunden von Le Mans und immer ohne Ergebnis.
Was nun den Durchbruch brachte, läßt sich schwer sagen. War es der beginnende Frühling, der ihr eine freundlichere Einstellung gegenüber ihrer Umwelt bescherte? War es die Erkenntnis, dass sie ohne den Ärger und das ständige Nachfragen meinerseits Ihre Tage glücklicher und entspannter verbringen konnte? War es wirklich nur die als Bedingung für ihr Wohlwollen von mir zu überweisende "Kostenbeteiligung" in Höhe von zuerst 250, später nochmal gierig erhöht auf 500 EUR, die ihr die Genugtuung gab, aus der weder von ihr noch von mir verursachten rechtlich nicht ganz eindeutigen Situation noch etwas Kapital geschlagen zu haben, ohne auch nur den kleinsten moralischen Anspruch darauf zu haben? War es der Respekt vor der Institution Anwalt, durch den sie Recht und Unrecht vielleicht doch in einem etwas anderen Licht sah?
Ganz sicher war es unter anderem die geübte und sichere Verhandlungstechnik des Juristen, die nicht nur bei den professionellen und selbst wortgewandten Kontrahenten greift, mit denen er für gewöhnlich zu tun hat, sondern geduldig und zielstrebig die Standpunkte und Scheinargumente der eigenbrödlerischen Seniorin zerpflückte, bis sie sich auf die gesichtswahrende Einigung mit der Kostenbeteiligung einlassen musste.
Mir sollte es egal sein, ab sofort kann ich grillen ohne das Gefühl zu haben, dass jedes dritte Würstchen auf einem fremden Rost gebräunt wird.
Dieses Gefühl überwiegt auch das Wurmen, das im Hintergrund grummelt: Ein feines Lehrgeld hab ich dafür bezahlt, dass ich einen Grundstückserwerb verwechselt hab mit dem Spontankauf einer Packung Kaugummi auf dem Weg zur Supermarktkasse. Das nächste Mal lass ich ohne Eile die Grundbuchauszüge kommen, lange bevor ich einen Notartermin vereinbare, geschweige denn den Vertrag unterschreibe. Das nächste Mal? Ja, ich hätt noch gerne ein kleines Stückchen Wald!
Yooee - 2005-05-31 17:19 - Steht unter:
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